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Götz Maschinenbau nutzt die 3D-Druck-Technologie SAF für Serien

Götz Maschinenbau testete die Stratasys-Technologie SAF
Wie ein Zerspaner den 3D-Druck in die Serie bringt

Götz Maschinenbau kaufte zwei der ersten 3D-Drucker H350 der neuen Stratasys-Technologie SAF und hat kurz darauf vier weitere geordert. Über die Hälfte der gedruckten Teile sind Serienteile für Kunden – und das, obwohl Götz zu 95 % ein Zerspanungsdienstleister ist. Wie erklärt sich der Erfolg? Wir haben das Unternehmen in Ötigheim besucht.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

„Unsere SAF-Anlagen laufen rund um die Uhr“, sagt Philipp Götz. Er ist Geschäftsführer der Götz Maschinenbau GmbH & Co. KG, neben Bruder Lukas und Vater Roland, dem Firmengründer. Da er den 3D-Druck-Bereich vor zehn Jahren ins Familienunternehmen geholt hat, kennt er die Verfahren und stellt der noch neuen SAF-Technologie von Stratasys ein gutes Zeugnis aus: „Die mit SAF gedruckten PA11-Teile schätze ich qualitativ besser ein als die aus einer Lasersinter- oder einer MultiJet-Anlage“, sagt er und beruft sich dabei auf Praxiserfahrungen. „Wir haben wenig bis gar keinen Verzug. Die Maßhaltigkeit ist topp, die Wiederholgenauigkeit besser als bei anderen Verfahren.“

Dies deckt sich damit, wie Stratasys das Verfahren und seine Vorteile erklärt, das nun knapp zwei Jahre am Markt ist. „SAF“ steht für „Selective Absorption Fusion“ und geht wie der MultiJet-Prozess von HP auf Erfinder Prof. Neil Hopkinson zurück. Im Pulverbett bringen piezoelektrische Druckköpfe eine Energieabsorber-Flüssigkeit dort auf, wo Material generiert werden soll. Unter Infrarot verschmelzen die benetzten Pulver-Partikel, die anderen werden später beim Entpacken entfernt. Dem Lasersintern voraus hat SAF, dass der Energieeintrag flächig und nicht linienförmig erfolgt. Da alle Zonen defacto gleichzeitig erhitzt werden, ist die Verzugsneigung vergleichsweise gering. Vom HP-Verfahren unterscheidet sich SAF darin, dass für das Benetzen der auszuhärtenden Bereiche ein einziges Fluid ausreicht.

Nachhaltig durch Wegfall des Spritzguss-Werkzeugs

„Wir haben schnell Kunden gefunden, die diese SAF-Teile von uns wollten“, sagt der junge Firmenchef – ein Grund für das Ordern vier weiterer Anlagen, die in Ötigheim noch ausstehen. Auf dem ersten H350-Drucker bei Götz entstehen Teile aus PA11, einem Bio-basierten Kunststoff, dessen erneuerbare Rohstoffe aus Rizinusöl gewonnen werden. Der zweite SAF-Drucker produziert PA12-Bauteile mit höherer Steifigkeit und für höhere Toleranzanforderungen. Als drittes Material soll in Kürze PP verfügbar sein.

Stratasys propagiert das SAF-Verfahren aufgrund seiner Genauigkeit und Reproduzierbarkeit als Alternative zum Spritzguss – üblicherweise für vielleicht 5.000, 10.000 oder 20.000 Stück pro Jahr: Je kleiner das Teil und je höher die Komplexität, desto lohnender ist SAF – und nachhaltiger, weil nicht aufwändig ein Werkzeug gebaut werden muss. In Webinaren gibt der israelische Druckerhersteller für ausgewählte Praxisbeispiele einen Break-even-Point an, ab wann erst Spritzgießen lohnt.

Spezielles ICE-Bauteil rechnet sich nur additiv

Ein absoluter Ausreißer in dieser Betrachtung ist eine Komponente für den ICE, die ebenfalls in Ötigheim additiv produziert wird: ein großer Einfüllstutzen für Spritzwasser mit integriertem Sieb. Das Bauteil mit Deckel und Scharnier, drehbarem Verschluss und herausnehmbarem Sieb entsteht in einem einzigen Druckjob. Spritzgießen würde ein extrem aufwändiges Werkzeug erfordern und sich erst ab 248.200 Teilen rechnen, so kalkuliert Stratasys. Götz druckt davon 250 bis 300 Stück im Jahr mit SAF.

Solche Serien – oft auch mit höherer Stückzahl – nutzt der 3D-Druckdienstleister als Grundlast für die SAF-Anlagen. Den verbleibenden Platz im Bauraum füllt er mit aktuell angeforderten Teilen. Dem kommt zugute, dass die Teilequalität bei SAF nicht von der Position im Bauraum abhängt, weil das Pulverbett flächig beheizt wird. Es sind hohe Packungsdichten ohne Qualitätseinbußen möglich.

Masse der 3D-gedruckten Teile entstehen durch SAF

Einer der Gründe, warum Philipp Götz auf Serien setzt: „Wir wollen den 3D-Druck als zweites Standbein aufbauen. Langfristig ziele ich auf Umsätze zwischen drei und fünf Millionen Euro.“ Mit SAF scheint dies für ihn realistisch zu werden. „Um die Anlagen auszulasten, brauchen wir ein Grundrauschen von wiederkehrenden oder aus Serien stammenden Teilen, die den Bauraum zu mindestens 50 bis 60 Prozent füllen.“ Den Rest füllen die immer noch relevanten Prototypen- und Design-Bauteile. Als weitere 3D-Druckverfahren nutzt das Familienunternehmen FDM, Polyjet und DLP. „Die Masse sind aber heute schon SAF-Bauteile mit ihren schönen Oberflächen und niedrigeren Kosten.“

Was Götz Maschinenbau zugute kommt: Weil der Mittelständler die Rolle des Alpha- und Beta-Testers innehatte, verfügt er über einen Vorsprung bei der „Selective Absorption Fusion“. Noch vor dem Stratasys-Headquarter erhielten die Badener einen H350-Drucker. „Die ganze Führungsriege war bei uns“, schmunzelt Philipp Götz. „Wir haben in dieser Zeit viel gelernt. Aber auch Stratasys hat profitiert, weil wir Fehler aufgedeckt und Verbesserungsvorschläge gemacht haben.“

3D-Drucken – aber nicht ohne das verlangte Finishing

Dieser Erfahrungsvorsprung erklärt den Erfolg des Unternehmers mit SAF aber nicht alleine. Der Kern der Geschäftstätigkeit liegt sogar woanders. Götz Maschinenbau beschäftigt zurzeit 125 Mitarbeiter, davon nur sechs im 3D-Druck. Das Gros ist in der Zerspanung tätig. Die additive Technik macht gerade mal geschätzte 5 % des Umsatzes aus, wenn auch mit „Tendenz steil wachsend“. Als Zerspanungs-Dienstleister produziert Götz „alles“ von Einzelteilen bis hin zu kleinen und mittleren Serien für unterschiedlichste Branchen.

Wichtigstes Kennzeichen ist, dass die Dienstleistung nicht beim gefrästen Teil endet. Je nach Bedarf erstreckt sie sich über das Schweißen oder Oberflächenfinishing bis in die Baugruppenmontage oder sogar den Maschinenbau hinein. Das ist auch für den 3D-Druck wichtig. „Und wo wir etwas nicht im eigenen Hause erledigen können, greifen wir auf unser großes Netzwerk zurück.“ Götz verfügt weiter über vier moderne Zeiss-Messmaschinen und Know-how beim Vermessen und in der Qualitätssicherung.

Die Präzision des Zerspaners ist unverzichtbar

Der junge CEO sieht darin „den riesigen USP“ seines Unternehmes, Genauigkeiten zu erfüllen, die additive Technik nicht leisten kann. Reichen Zehntel-Toleranzen des 3D-Drucks nicht aus, „dann muss ich zerspanend ran“, sagt Götz. „Sind Form- und Lagetoleranzen, Bezugsflächen oder Passungen vorgegeben, dann realisieren wir sie mit unserem großen Maschinenpark und Know-how.“ Gerade diese Expertise des Lohnfertigers sei häufig Türöffner bei 3D-Druck-Kunden. Auch könne sein Team beraten, wo eher additive und wo zerspanende Technik empfehlenswert sei.

3D-Druck-Dienstleister müssen flexibel sein

Dafür weiß er Beispiele, so etwa Einstellringe für Fräsmaschinen. „Statt die Prüflehren aus dem Vollen zu fräsen, haben wir unsere Rohlinge aus Kunststoff selbst gedruckt und dann erst zerspant.“ Das hat dem Kunden hohe Kosten erspart. Ein weiteres Beispiel: Auf Götz‘ Schreibtisch liegt eine 3D-gedruckte Absaughaube aus Kunststoff, die derzeit in Dauertests geprüft wird. Bisher entsteht sie als Blech-Schweißkonstruktion und muss oft nachbearbeitet werden. „Verlaufen die Tests positiv, wird sie künftig 3D-gedruckt. Sie bietet dann eine höhere Qualität, ist günstiger und schneller erhältlich.“

Günstiger und schneller, auf Zuruf „über Nacht“ drucken. Das sind die Argumente, die in der Branche zählen. Wird die additive Technik richtig eingesetzt, bietet sie große Flexibilität – fordert sie aber auch. Viele Aufträge kommen so zustande: „Anfang der Woche hat jemand angefragt, ob er bis Freitag spezielle Teile haben kann – egal, wie sie entstehen. Funktionieren sie, winkt uns ein Serienauftrag.“ Götz konnte die Prototypen im vorgegebenen Zeitfenster drucken und liefern.

Schon 27 Jahre: Nachtschicht als „Geisterschicht“

Diese Wendigkeit scheint der Unternehmerfamilie in die Wiege gelegt zu sein. Schon Vater Roland Götz, der 1980 die Firma gründete, packte Neues mit Elan an. Vor 27 Jahren ließ er Maschinen mit Verkettung installieren und betrieb vermutlich das „erste Kleinunternehmen mit der Nachtschicht als Geisterschicht“, erzählt der Sohn. Philipp Götz selbst studierte Maschinenbau, hatte aber schon früh alle Abteilungen durchlaufen. Als er in den 3D-Druck einsteigen wollte, musste er die Familie nicht lange überzeugen. Seither ist das Geschäftsfeld dynamisch gewachsen.

Götz Maschinenbau ist Alpha-Tester für Stratasys

Stratasys hat Götz Maschinenbau wohl aufgrund dieser Dynamik eingeladen, Alpha- und Beta-Kunde für die H350-Drucker zu werden. Und bekommt diese Dynamik selbst zu spüren. Als die SAF-Anlagen in Ötigheit zu fertigen begannen, vermisste Philipp Götz eine geeignete Lösung für das Entpacken der gedruckten Teile, die den Bediener nicht zu viel Pulverstaub aussetzt. Am Markt fand er nichts Zufriedenstellendes, also kümmerte er sich selbst darum. In sieben Monaten entstand eine Entpackungsanlage, mit der es „durch einen überraschend einfachen Mechanismus“ gelingt, staubfrei das Pulver zu entfernen, zu reinigen und gebrauchsfertig neu zu mischen. Die Anlage sieht aus wie R2-D2 aus Star Wars und heißt „R2-G2“ – eine Referenz an den Vater Roland Götz. Händler verkaufen R2-G2 bereits.

Ein weiterer Coup des Hidden Champions: Die Unternehmerfamilie hat jüngst die Goa Innoventure AG gegründet mit Steinbeis im Bunde. Goa investiert in Start-ups, unterstützt sie und macht sie in der Region groß. Götz Maschinenbau steuert Know-how bei, Steinbeis managt den Innovationsprozess. Der Vertrieb und Bau des R2-G2 beispielsweise wird Thema eines dieser Start-ups sein. Es sorgt jetzt schon für Cashflow.

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