Was bewertet eine Zertifizierungsstelle oder eine Benannte Stelle bei der Validierung additiver Fertigungsprozesse? Beim Additive Manufacturing (AM) in der Medizintechnik steht neben der Personalqualifikation insbesondere die Prozesskette im Fokus. TÜV Süd stellt in einem Whitepaper das Verfahren nach dem Stand der Technik vor und betrachtet die gültigen Normen. „Wir zeigen bestehende Lücken und Probleme für die additive Fertigung medizinischer Produkte auf und beschreiben mögliche Vorgehensweisen“, sagt Simon Schlagintweit, Lead Auditor Additive Manufacturing bei TÜV Süd.
Die Publikation erläutert die einzelnen Schritte der Qualifikation und Validierung der Prozesskette und bespricht die Nachbearbeitung der Produkte. Neben der Industrie richtet sich das Whitepaper auch an Verantwortliche in der patientennahen Diagnostik (point-of-care), z. B. in Forschungsinstituten oder Krankenhäusern.
Workflow qualifizieren und validieren
Bevor ein Gerät für eine regulierte Industrie wie die Medizintechnik additiv hergestellt wird, müssen die Anforderungen qualifiziert, verifiziert und validiert werden. Mit der Validierung ihrer Prozesse weisen Unternehmen nach, dass ihr Produkt den Anforderungen entspricht. Dazu müssen alle Prozessparameter überprüft und eingehalten werden. TÜV Süd trennt die Validierung in einen konzeptionellen und einen praktischen Teil. „Ein zentraler Schritt des konzeptionellen Teils ist die Risikobeurteilung“, erläutert Schlagintweit. „So vermeiden Unternehmen Prozessausfälle, das Versagen oder die Kontamination von Bauteilen.“ Ausgehend von einer Prozessabbildung werden Risiken identifiziert, bewertet und reduziert. Dabei kommen bewährte Instrumente zum Einsatz, wie FMEA (Failure Mode and Effects Analysis), das Ishikawa-Diagramm und Fehlerbaumanalysen.
Der praktische Teil beinhaltet Anforderungen an die Installationsqualifikation (IQ), die operationale Qualifikation (OQ) sowie die Leistungsqualifikation (PQ).
Anwendbarkeit einschlägiger Normen
Der gesamte Workflow wird nach der internationalen Norm ISO/ASTM 52920 zur additiven Fertigung geprüft. Die Basis dieses Standards für Qualitätsmanagementsysteme (QMS) in der Additiven Fertigung ist der Leitfaden DIN SPEC 17071. Die beiden AM-Normen ISO/ASTM 52904 und 52930 sind hingegen nur eingeschränkt anwendbar. Die ISO 52904 ist ein Leitfaden für den Einsatz von AM in einer kritischen Anwendung. Die ISO 52930 behandelt allgemein die Qualifizierung von AM-Maschinen. Beide Normen beziehen sich jedoch nur auf eine Werkstoffklasse bzw. eine Produktionstechnologie und reichen damit nicht für die Qualifizierung aus.
Nachbearbeitung additiv gefertigter Teile
Nachbearbeitungsprozesse wie Reinigen, Sterilisieren oder Verpacken, können die biologische Sicherheit, Oberflächenqualität und mechanischen Eigenschaften des Produkts entscheidend beeinflussen. Damit gehören sie zu den wichtigsten Schritten bei der Fertigung von Medizinprodukten. Die Testanforderungen variieren je nach Gerät und Anwendung. Anforderungen an die biologische Sicherheit sind in der Richtlinie ISO 10993 zusammengefasst. Anforderungen an die Verpackung legt die Norm ISO 11607 und für die Sterilisation die DIN EN 556 fest.
Personalkompetenzen
Trotz fortschreitender Automatisierung werden entscheidende Schritte in der additiven Fertigung weiterhin manuell ausgeführt. Qualitätsmanagementsysteme (QMS) wie die ISO 9001, ISO 9100 und ISO 13485 verlangen entsprechend qualifiziertes Personal. Das betrifft die Qualitätsprüfung und Entwicklung ebenso wie Maschinenführer. Die Validierung erfordert ein Expertenteam mit Fachwissen aus allen Teilgebieten der AM. „Kompetentes Personal ist der Schlüssel zu einer industrietauglichen AM-Produktionsstätte. AM-spezifische Rollen müssen definiert und geschult werden“, betont Schlagintweit.
Das englischsprachige Whitepaper steht kostenlos zum Download zur Verfügung:
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