Extrem-Bike-Tuner Dangerholm macht Science-Fiction fahrbar. Seine Idee vom Bike der Zukunft stellt Hersteller vor Herausforderungen. Doch gemeinsam mit Trumpf und den TruPrint Metall-3D-Druckern gelang zur Eurobike 2024 ein Prototyp zum Fahren.
Autorin: Sabrina Schilling, Group Communications, Trumpf
Inhaltsverzeichnis
1. Futuristisches Design gepaart mit Funktionalität
2. Aluminium-3D-Druck punktet gegenüber klassischem Carbonbau
3. Messe-Networking führte zum Kontakt
4. Aluminium 6061 im Einsatz für die Fahrradbranche
5. Schaltwerkskomponenten aus Titan
Denim-Weste, Shorts und ein Bike, um das ihn die Fahrradwelt beneidet. So kennt man den Extrem-Bike-Tuner Dangerholm alias Gustav Gullholm von zahllosen Fotos. Sein Konzept: Er baut Bikes, aus purer Leidenschaft an der Ästhetik und am Fahren. Mit Ideenreichtum und Perfektionismus hat der Tuner Bikes hervorgebracht, die ihn zu einem der Stars in der Fahrradbranche gemacht haben. Eine seiner Ideen: ein völlig neuer Lenker. Den hat der in Norwegen geborene und in Schweden lebende Mechaniker zuerst mit Holz gebaut und meint: „Im Vergleich dazu, was die Trumpf Ingenieure geleistet haben, war mein Entwurf eher höhlenmenschenhaft.“
Futuristisches Design gepaart mit Funktionalität
Neben futuristischem Design basiert der Lenker im Wesentlichen auf einer Einheit mit halbinternen Kanälen für die Bremskabel. Und: Montage und Wartung sollte ohne aufwändiges Demontieren und Entlüften der Bremsen funktionieren. Eine sogenannte Snap-Push-Verbindung machte das möglich: Die Kabel laufen in Kanälen und werden von Clips gehalten. Diese Clips haben Hinterschneidungen, was eine sehr komplizierte Form erfordern würde, um den Lenker mit Carbon zu fertigen. 3D-Druck ist verfahrenstechnisch besser und ermöglicht ein eleganteres Design.
Maxime Lallemand, Syncros Components Engineer bei Scott, einem der großen Markenhersteller in der Fahrradbranche, berichtet: „Wir arbeiten mit Dangerholm schon viele Jahre zusammen. Dieses Mal wollte er mit uns zur Eurobike 2024 den Prototypen seiner Idee vom Bike der Zukunft produzieren – keine Designstudie, sondern ein voll einsatzbereites Mountainbike. Eine besondere Herausforderung war für uns auch das neue Lenkerkonzept.“
Aluminium-3D-Druck punktet gegenüber klassischem Carbonbau
Die Uhr begann zu ticken: Es blieben fünf Monate bis zur Eurobike. Für Entwicklung, Produktion auf der TruPrint 3000 und ISO-Zertifizierung des Lenkers eine knappe Kiste. Scott-Entwickler Maxime Lallemand und Quentin Beauregard, MTB Lead Designer bei Scott, aktivierten deshalb ihre Kontakte zu den Trumpf Spezialisten für 3D-Druck: „Für die Prototypenentwicklung ist Aluminium-3D-Druck gegenüber dem klassischen Carbon-/Formenbau in Sachen Kosten und Geschwindigkeit unschlagbar. Technisch betrachtet, sprengt 3D-Druck die Grenzen, was Form und Funktion betrifft. Das ermöglicht uns, für Gustav einen technisch perfekten Lenker zu bauen, an dem alles visuell Störende beseitigt ist.“
Messe-Networking führte zum Kontakt
Maxime Lallemand und Quentin Beauregard lernten die Applikationsentwickler Chris Lengwenat und seinen Kollegen Nicolas Haydt, Technologieexperte Additive Manufacturing von Trumpf, auf der Eurobike im Jahr 2022 kennen. Die beiden hatten dort mit im Gepäck: einen Bremshebel, einen Bremssattel und ein Pedal – von den beiden Trumpf Experten entwickelt und auf einer TruPrint mit Aluminium und Titan gedruckt. „Wir gingen mit unserem Köfferchen von Stand zu Stand“, erinnert sich Lengwenat – und Haydt ergänzt: „Am Ende des Tages hatten wir viele neue Kontakte in die Entwicklungsabteilungen großer Hersteller, darunter auch zu Maxime Lallemand. Und er stellte uns dann auch Bike-Tuner Dangerholm vor.“
Aluminium 6061 im Einsatz für die Fahrradbranche
Ein Kennenlernen, das Eindruck machte: Im Vorfeld der Eurobike 2024 liefen die Fäden zwischen Trumpf, Scott und Dangerholm wieder zusammen: „Dass der 3D-Druck mit Aluminium überhaupt für Komponenten wie den Lenker in Frage kommt, liegt an einer neuen hochfesten Legierung“, erklärt Trumpf Experte Christian Lengwenat und ergänzt: „Aluminium 6061 hat im Fahrradbereich schon großen Anklang gefunden. Und wir sind derzeit die einzigen in Europa, die Erfahrungen im Druck mit diesem Material haben.“
Für die Trumpf-Fachleute war das Projekt die Gelegenheit, sich mit den Carbon-Experten von Scott Sports auszutauschen: Die verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in der Produktion hochwertiger Carbon-Fahrräder und -Komponenten. Für Lallemand lag auf der Hand: „Bei dem Lenkerprojekt konnten wir unsere jeweiligen Expertisen optimal miteinander verbinden.“
3D-Druck bringt die nötige Formfreiheit
Wie 3D-Druck-Spezialist Lengwenat erklärt, gibt es bei der additiven Fertigung keine Einschränkungen im Design: “Anders als bei konventionellen Methoden, wie etwa dem Fräsen, punktet der Metall-3D-Druck mit Formfreiheit. Werkzeuge stoßen an physikalische Grenzen, Pulver lässt sich dagegen in jeder beliebigen Form aufbauen.” Haydt ergänzt: „Die innenliegenden Kabelkanäle des Dangerholm-Lenkers sind nur mit 3D-Druck realisierbar und wir erreichen hohe Stabilität bei geringem Gewicht – das macht den Alu-Druck vor allem für die Fahrradindustrie so interessant.”
Pünktlich zur Eurobike 24 haben Dangerholm, Scott und Trumpf die anspruchsvolle Lenkerkonstruktion fertiggestellt. Wieder zurück in Schweden freut sich Dangerholm: „3D-Druck ist wie Science-Fiction. Man hält im wahrsten Sinne des Wortes ein kleines Stückchen Zukunft in den Händen.“
Schaltwerkskomponenten aus Titan
Gleiches Fahrrad, anderer Zulieferer – für die Schaltwerkkomponenten arbeitet Dangerholm mit dem Faction Bike Studio aus Kanada zusammen. Die Trumpf Spezialisten Lengwenat und Haydt haben das Rad im Auftrag von Faction Bike Studio mit Titan Komponenten ausgestattet. Es handelt sich um exponierte und fehleranfällige Schaltwerkskomponenten wie das Parallelogramm und der Käfig. Die Bauteile wurden auf einer TruPrint 1000 aus Ti64 Gd.23, einer speziellen Titanlegierung mit einem besonders geringen Anteil an Sauerstoff gedruckt. Damit wurden Stabilität und Design auf ein neues Level gehoben. (eve)