additive: Welche Ziele hat sich EOS im Bereich der Nachhaltigkeit gesetzt?
Hannappel: Unser Ziel ist eine verantwortungsvolle Fertigung, wir nennen das Responsible Manufacturing. Dabei können wir mit unserer 3D-Druck-Technologie einen Beitrag leisten, um beispielsweise die Klimabilanz in der Produktion zu verbessern. In einem ersten Schritt haben wir hierzu eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die den ESG-Kriterien entspricht. Als erstes messbares Ergebnis werden wir in Kürze unsere eigenen CO2-Reduktionsziele veröffentlichen. Neben dem Ziel, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren, wollen wir dabei verstärkt klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen anbieten, um auch unsere Kunden dabei zu unterstützen, ihren Carbon Footprint zu reduzieren.
additive: Warum ist der 3D-Druck nachhaltiger als eine konventionelle Fertigung, mittels Drehen oder Fräsen?
Hannappel: Hier gilt das berühmte „es kommt darauf an“. Der 3D-Druck ist immer dann nachhaltiger und auch produktiver, wenn seine Potenziale ausgeschöpft werden. Hier sind unter anderem Funktionsintegration, Leichtbau oder auch Abfallvermeidung in der Produktion zu nennen. Wenn ich mein Bauteil dahingehend optimiere, kann der 3D-Druck durchaus nachhaltiger als eine konventionelle Fertigung sein. Bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks kommt dann noch die Bauteilnutzung hinzu, die man mit Hilfe einer sogenannten Lebenszyklusanalyse berechnen kann. Hier bietet der Leichtbau gerade bei bewegten oder sogar fliegenden Bauteilen ein erhebliches Einsparpotenzial.
additive: Beim CO2-Fußabdruck macht das Pulver beim 3D-Druck einen Großteil der Emissionen aus. Auf der Formnext 2022 hat EOS nun zwei neue „grüne“ Pulver vorgestellt. Was ist das Besondere an diesen Materialien?
Seidenschwarz: Wir wollten unseren Kunden ein Pulver anbieten, das einerseits die EOS-Qualitätsstandards erfüllt und andererseits möglichst geringe CO2-Emissionen verursacht. Herausgekommen ist zum einen der Polymerwerkstoff PA 1101 ClimateNeutral. Ein auf Rizinusöl basierender Werkstoff mit einem grundsätzlich geringeren CO2-Fußabdruck als erdölbasierte Polymere. Hier haben wir uns entschieden die resultierenden Treibhausgase auszugleichen und damit klimaneutral wird. Zum anderen der Polymerwerkstoff PA 2200 CarbonReduced. Dieser Werkstoff verfügt über eine Reihe bemerkenswerter Materialeigenschaften. Bisher konnte der CO2-Fußabdruck des Materials bereits um fast 45 Prozent reduziert werden. Möglich wurde dies durch den Einsatz erneuerbarer Energien bei der Materialherstellung.
Beide Werkstoffe haben die gleichen Eigenschaften wie unsere bisherigen PA 11- und PA 12-Pulver, so dass ein Wechsel für den Kunden sehr einfach ist.
additive: Wie unterscheiden sich die beiden Materialien preislich von den bisherigen PA 11- und PA 12-Materialien?
Seidenschwarz: Aktuell ist es leider noch so, dass nachhaltige Produkte einen Mehraufwand bedeuten, insbesondere bei Bestandsprodukten die nachträglich verbessert werden. Trotzdem haben wir den Aufwand betrieben und der Kunde hat damit nun erstmals die Möglichkeit seine 3D-Druck-Produktion nachhaltiger zu gestalten. Der Mehrpreis hierfür ist letztlich sehr gering.
Im Moment befinden wir uns noch in der Startphase. Unser Ziel ist es aber, für alle Anwendungen klimafreundlichere Pulver anbieten zu können.
additive: Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft müsste das nicht mehr verwendbare Pulver vom Kunden irgendwie wieder in den Prozess zurückgeführt werden. Gibt es hierzu auch schon Überlegungen?
Hannappel: Zu diesem in der Praxis nicht einfachen Thema haben wir gemeinsam mit einer Recyclingfirma ein Projekt gestartet, damit das Pulver wiederverwertet werden kann. Dieses Pulver entspricht zwar qualitativ nicht mehr den Anforderungen für den 3D-Druck, kann aber unter Umständen noch für andere Anwendungen eingesetzt werden. Hier betreiben wir echte Grundlagenforschung.
additive: Gibt es auch für den Metall-3D-Druck CO2-reduzierte Werkstoffe?
Hannappel: Wir haben jetzt erst einmal mit dem Kunststoffbereich begonnen. Aber wir sehen natürlich, dass wir auch den Metallbereich mit einbeziehen müssen. Dazu haben wir auch schon erste Voruntersuchungen gemacht. Wir wollen hier den gesamten Herstellungsprozess von der Mine bis zum Pulver betrachten. Dafür erstellen wir zurzeit Lebenszyklusanalysen für die wichtigsten Metall-Pulver. Wir rechnen mit ersten Ergebnissen noch in diesem Jahr.
Neben den Pulvern wollen wir uns auch unsere Maschinen genauer anschauen. Was wir in diesem Bereich schon gemacht haben, ist den CO2-Fußabdruck einer unserer Systeme zu berechnen. Konkret haben wir geschaut, wie viel CO2 bei einer Produktion unserer Formiga P110 entsteht. In naher Zukunft werden wir uns dahingehend auch die anderen EOS-Systeme genauer anschauen. Die gesammelten Daten von Systemen und Materialien stellen wir unseren Kunden im EOS Carbon Calculator zur Verfügung, mit dem sie den CO2-Footprint ihres 3D gedruckten Bauteils abschätzen können. Der CO2-Rechner ist bereits verfügbar.
Darüber hinaus stehen unsere Kollegen von Additive Minds zur Verfügung, um gemeinsam mit Kunden noch konkretere Berechnungen mit den tatsächlich eingesetzten Maschinen und Pulvern durchführen.
additive: Wie sehen die weiteren Entwicklungen bei EOS zum Thema Nachhaltigkeit aus?
Hannappel: Wir haben eine klare Roadmap: Unser nächstes Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck unseres gesamten Portfolios transparent zu machen. Darüber hinaus werden wir noch weitere grüne Produkte und Dienstleistungen anbieten. Außerdem erarbeiten wir gerade eigene Klimaziele für EOS weltweit. All das wird uns ein Stückchen weiter bringen auf unserem Weg hin zu einer verantwortungsvollen Fertigung.