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Die im 3D-Druck entstandenen Sitz- und Bankmodule Twine – designt von Hagen-Hinderdael in London – sind etwas völlig Neues in der Welt der Möbel. „Die Idee für Twine hatten wir, als Rossana Orlandi ihre dritte Guiltless Plastic Kampagne startete“, erinnert sich Sofia Hagen, die das Designstudio Hagen-Hinderdael im Jahr 2020 zusammen mit Lisa Hinderdael gegründet hat.
Die Mailänder Galeristin Rossana Orlandi fordert regelmäßig Künstler und Designer dazu auf, ihre Projekte zum Abbau der Müllberge auszustellen. Also erfanden Hagen-Hinderdael das aus recyceltem Kunststoff hergestellte Möbelstück Twine. Dabei verwenden sie Filamente des Amsterdamer Unternehmens Reflow, welches das Material für den 3D-Druck aus recyceltem Plastikmüll gewinnt. Der Rohstoff für Twine, das rPETG-Filament, stammt übrigens aus ausrangierten Krankenhaus-Schalen.
Klinikabfall als Rohmaterial
Hagen-Hinderdael engagierte dann Ai Build in London, die schon viel mit Reflow-Filamenten gearbeitet hatten, um das Möbelstück herzustellen. Ai Build ist eine 2015 gegründete Software-Firma, die „aktuell 20 Menschen und fünf Kuka-Roboter beschäftigt”, so Chief Operating Officer Michail Desyllas. „Die größte Herausforderung an diesem speziellen Projekt war die Geometrie der Teile und das gewünschte ästhetische Finishing. Wir durften nichts mehr verändern.”
Ai Build entschied, dass ein KR30 L16 der KR Iontec Serie und ein KR90 R2700 der KR Quantec Serie diesen 3D-Druck-Job erledigen sollten, „weil diese Roboter die Reichweite haben, die die Fertigstellung dieser Teile erlaubt. Außerdem ist hier unsere Software voll integriert, was uns das Monitoring der Qualität und Meldungen über Fehler in Echtzeit erlaubt”, so Desyllas.
Zwei Roboter ermöglichen Farbtransparenz
Da Twine dahinfließen sollte wie Wellen, konstruierte Ai Build eine Form dafür, eine Art kurviges Doppelbett, auf dem das noch heiße Material aus dem 3D-Drucker sich abkühlen und fest werden konnte. Die schmaleren Elemente wurden vom KR30 L16, die breiteren vom KR90 R2700 hergestellt, wobei beide Roboter mit einem Filament-Extruder-System ausgerüstet wurden. Dieses System erfasst bis zu vier unterschiedliche Filament-Ströme in diversen Farben. Das erlaubt ein besonderes Farbenspiel.
Desyllas räumt ein, dass das Auftragen des rPETG-Filament knifflig war: „Jede Schicht muss innerhalb eines bestimmten Zeitfensters aufgetragen werden. Nicht direkt nach der vorigen Schicht, damit nichts absackt, aber auch nicht zu spät, um das Aneinanderhaften der Schichten nicht zu gefährden.” Mit guter Vorbereitung und dank der Sorgfalt der Roboter ließen sich aber ästhetische, robuste und bequeme Sitzmöbel gestalten. Künftig sollen Twine-Sitzelemente individualisiert werden und beim italienischen Kuka-Partner Caracol-AM entstehen.
Designermöbel vom Recycling-Roboter
Twine ist aber nicht das einzige Beispiel, bei dem Kuka-Roboter helfen, Plastikmüll in Möbel und andere Gegenstände zu verwandeln. Auch The New Raw – ein Forschungs- und Designstudio im niederländischen Rotterdam – transformiert seit 2015 Plastikabfall via 3D-Druck und mithilfe von Kuka-Robotern zu hochwertigen Möbeln.
Dazu haben der Architekt Panos Sakkas und die Architektin Foteini Setaki zwei gebraucht erworbene Industrieroboter von Kuka so umgebaut, dass sie Möbel wie Parkbänke, Strandliegen und andere Objekte in 3D drucken können.
Ein Beispiel: Allein für die Strandmöbel-Serie „The Elements“ hat The New Raw 720 Kilogramm Plastikmüll aus dem Meer mit zusätzlichen 20 Prozent anderem Kunststoff in Strandliegen, Umkleidekabinen und Stege transformiert. Diese 3D-Druck-Möbel verschönern nun fünf griechische Strände.
Reisen mit 3D-Druck-Robotern
Das acht- bis zehnköpfige Team des Designstudios arbeitet aufgeteilt auf die zwei Standorte Athen und Rotterdam und zieht für Außenprojekte quer durch Europa. Zum Glück eignen sich die Roboter, verbunden mit einem Extruder, auch als mobile 3D-Druck-Einheit. „Wir reisen mit Roboter-Einheiten mit ausreichender Reichweite und niedrigem Energiebedarf“, ergänzt die Architektin.
„Wir können drucken, was auch immer uns in den Sinn kommt“, erzählt Foteini Setaki begeistert. „Manchmal ist es eher schwierig, die Grenzen dieser Technologie auszuloten, weil wir so viele Möglichkeiten haben.“ Die Produktionsdauer kann dabei stark variieren, je nach Beschaffenheit des Materials und Geometrie des zu druckenden Elements. Normalerweise liegt sie, je nach Design, zwischen drei und zwölf Stunden.
Kuka AG