Inhaltsverzeichnis
1. Ein neues Zeitalter des Metallgusses
2. Klarer Fokus auf schnelle Gussteile
3. On-Demand-Fertigung von Sandformen
4. Die Anker lichten – Aber in 5 Tagen statt in 5 Monaten
5. DMLS ist keine Konkurrenz
Doch was einst seine Vision war, ist nun Realität. Heute leitet Ville Moilanen Hetitec Oy, eine laut eigener Aussage der modernsten und schnellsten Gießereien in Europa, die mit innovativen Technologien für additive Fertigung, Simulation und Metallguss ausgestattet ist. Hetitec verfügt über eigene Gießereikapazitäten für Stahl-, Eisen- und Aluminiumlegierungen und kann, dank der Printed Casting-Technologie, Gussteile innerhalb einer Woche herstellen. Nachbearbeitung und Qualitätssicherung inklusive.
Printed Casting bezeichnet den Prozess des 3D-Druckens und Gießens hochkomplexer Formen. Mit diesem hybriden Ansatz lassen sich die Vorteile des 3D-Drucks, also die geometrische Freiheit, und die Kostenvorteile der konventionellen Fertigung kombinieren.
Ein neues Zeitalter des Metallgusses
2008 trat Ville Moilanen als Maschinenbauingenieur in die damalige Voxeljet Technology GmbH in Augsburg ein. Als Sales Manager betreute er unter anderem den Aufbau des On-Demand-Centers und war für den Vertrieb im skandinavischen Markt verantwortlich.
In Gesprächen mit den Kunden erfuhr er, dass die durchschnittliche Lieferzeit für Gussteile in Finnland mehr als drei Monate beträgt. Und das, obwohl es in Finnland viele große Industrieunternehmen gibt, die in Bereichen wie Maschinenbau, Energieversorgung, Schiffbau usw. tätig sind. Branchen, die in der Regel einen hohen Bedarf an Gussteilen haben, insbesondere für Prototypenteile.
Der Grund für diese langen Vorlaufzeiten besteht darin, dass die finnische Gießereiindustrie hauptsächlich auf die Herstellung von Serienprodukten mit konventionellen Gussmethoden ausgelegt ist. Hinzu kommt ein akuter Mangel an qualifizierten Gießereiingenieuren. In vielen Gießereien sind die Ingenieure so sehr mit Serienaufträgen beschäftigt, dass sie einfach keine Zeit haben, an kleinen bis mittleren Losgrößen zu arbeiten.
Diese Marktdefizite nahm sich Ville Moilanen 2012 zu Herzen und beschloss, zurück nach Finnland zu ziehen, um mit Hetitec Oy in der Region Pirkanmaa in der Nähe von Tampere sein eigenes Unternehmen zu gründen. Im Jahr 2013 eröffnete er schließlich sein Zentrum für den 3D-Druck von Sandformen und Kernen. Damals investierte er in einen VX1000 von Voxeljet und druckt 3D-Furanformen und -kerne für Kunden auf Anfrage.
Klarer Fokus auf schnelle Gussteile
Mehrere Jahre lang verfolgte Hetitec dieses Geschäftsmodell, bis das Unternehmen 2018 beschloss, sich zu vergrößern, zu expandieren und aus einem 3D-Druck Service Center, eine hochspezialisierte Gießerei zu machen. Die einzigartige Idee von Hetitec: Eine Gießerei rund um den 3D-Drucker aufbauen und nicht nur einen 3D-Drucker in eine Gießerei integrieren. Und das alles mit einem klaren Fokus: schnelle Gussteile.
Die ersten Gießanlagen wurden Anfang 2020 bei Hetitec installiert. Dazu gehören vier Schmelzöfen für verschiedene Legierungen. Hetitec ist in der Lage, Stahl (einschließlich Duplex), Grauguss, Sphäroguss (einschließlich ADI und SiMo) und auch Aluminium zu schmelzen. Um Gussfehler zu vermeiden und die Ausschussrate so gering wie möglich zu halten, wurde auch in CAD-Software für den Formenbau und die Gießsimulation investiert. Neben der VX1000 ergänzte Hetitec seine additive Fertigungskapazität im Jahr 2021 mit einer VX2000 von Voxeljet. Das großformatige 3D-Drucksystem hat ein Bauvolumen von 2 x 1 x 1 m und eignet sich für die Herstellung von großen individuellen Formen oder einer Vielzahl kleinerer Bauteile.
Der Drucker wurde kürzlich einem Prozess-Update unterzogen, das die Produktivität um nahezu 40 % steigert. „Wenn es nach unseren Kunden ginge, würden sie die Gussteile am liebsten schon gestern haben, ein Service, den wir derzeit leider noch nicht anbieten können. Aber wir können eine Job-Box ohne weiteres in weniger als einem Tag drucken, was den VX2000 zum produktivsten 3D-Drucker in ganz Finnland macht“, sagt Geschäftsführer Moilanen. „Mit unserer Ausstattung sind wir in der Lage, Gussteile in Größen von 1 bis 600 kg innerhalb weniger Tage zu produzieren, mit einem einzigartigen Portfolio hinsichtlich der Material- bzw. Legierungsvielfalt.“
Doch damit nicht genug. Für die Bearbeitung und Qualitätssicherung hat Hetitec Kooperationen mit benachbarten Unternehmen geschlossen. Auf diese Weise können die gussfrischen Bauteile direkt bearbeitet und vor dem Versand geprüft werden. Dieser Arbeitsablauf ermöglicht es Hetitec, fertige Teile innerhalb von nur einer Woche zu versenden. Oder in den Worten von Ville Moilanen: „Das macht uns zur schnellsten Gießerei in ganz Skandinavien“.
On-Demand-Fertigung von Sandformen
Die skandinavische Industrie ist insbesondere durch den Schiffbau, die Automobilindustrie, die Energiewirtschaft, die Forstmaschinenindustrie und die Offshore-Industrie geprägt. Aktuelle Trends wie Leichtbau, Elektromobilität und die Digitalisierung von Werkzeug- und Modellbeständen lassen sich mit dem 3D-Druck bedienen.
Mit moderner Scantechnik werden alte Werkzeugbestände in CAD-Dateien umgewandelt und können jederzeit aus einem digitalen Lager abgerufen und bei Bedarf gedruckt und gegossen werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Lagerkosten. „Dieser Ansatz ist in Finnland noch nicht weit verbreitet“, erklärt Moilanen. „In manchen Fällen werden in Finnland nur gut 10 % aller gelagerten Ersatzteilmodelle und Formen regelmäßig abgerufen und verwendet. Die restlichen 90 % nehmen mehr oder weniger nur Lagerplatz in Anspruch.
Hier bieten die Digitalisierung der Werkzeugbestände und der 3D-Druck erhebliche Vorteile, insbesondere bei der Ersatzteilproduktion. Mit seinem erfolgreichen Geschäftsmodell sowie der schnellen Reaktionszeit des Unternehmens zielt Hetitec darauf ab, diese Wissenslücke zu schließen und sowohl das Geschäft als auch das Knowhow europaweit zu etablieren. Aber Hetitec beschränkt sich nicht nur auf Europa, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.
Die Anker lichten – Aber in 5 Tagen statt in 5 Monaten
Am Beispiel eines havarierten Eisbrechers in Kanada wird deutlich, wie schnell und flexibel Hetitec reagieren kann. Aufgrund eines Motordefekts saß ein Eisbrecher in der Nähe der kanadischen Küste fest. Die übliche Lieferzeit für das benötigte Bauteil betrug rund fünf Monate, was für den Kunden ein erhebliches finanzielles Problem darstellte. Eine schnelle Verfügbarkeit des Ersatzteils hatte daher oberste Priorität für die Reparatur des Schiffes.
Mit einem 2D-Konstruktionsplan des Teils wandte sich die Reederei an Hetitec. Innerhalb von nur einer Stunde wurde die 2D-Zeichnung in eine 3D-CAD-Datei umgewandelt. Die eigentliche Produktion begann mit dem 3D-Druck der Sandformen am Montag, und am Freitag derselben Woche war das bearbeitete, fertige Gussteil bereits auf dem Weg nach Kanada. Eine Reaktionsgeschwindigkeit, die in der Gießereiindustrie ihresgleichen sucht. In Kanada wurde das Teil auf einen Hubschrauber verladen, der es zum Schiff brachte, das, um Zeit zu sparen, bereits mit nur einem Motor auf sein Ziel zusteuerte.
DMLS ist keine Konkurrenz
Auch im Hinblick auf die wachsende Anzahl an direkt metallverarbeitenden 3D-Technologien (Direct Metal Laser Sintering) blickt Hetitec zuversichtlich in die Zukunft: Für die Größen, die Hetitec gießen kann, stellen DMLS-Verfahren keine wirtschaftliche Alternative dar. Die Bauvolumen der derzeit verfügbaren DMLS-Anlagen sind noch zu klein und die Materialpreise vergleichsweise zu hoch. Während Aluminiumlegierungen für den Guss in einem Preissegment von rund 30 € pro Kilogramm liegen, können die Preise für Metallpulver zum Sintern zwischen 600 € pro Kilogramm für Aluminium und 1.300 € für Speziallegierungen wie Stahl variieren. Hinzu kommt, dass der Metallguss eine viel größere Auswahl an Legierungen bietet, so dass auf spezifische Kundenwünsche individuell eingegangen werden kann.
Mit der Erweiterung der additiven Produktionsanlagen durch die neue VX2000 setzt Hetitec den sukzessiven Ausbau seines Geschäfts in Europa fort. Das Potenzial ist groß und der Weg ist geebnet, um das Gusszeitalter 4.0 einzuläuten.