Inhaltsverzeichnis
1. Komplexe Geometrien auf engstem Raum
2. Hohe Zeitersparnis und weniger Material
3. Organe aus dem Drucker
Was additive Verfahren in Verbindung mit der inhärenten digitalen Prozesskette konkret in der Medizintechnik zu leisten vermögen, verdeutlichte Prof. Dr. Dr. Majeed Rana, leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Düsseldorf, in seiner Keynote am ersten Konferenztag. Er zeigte auf, wie durch Unfälle, Tumore oder angeborene Fehlbildungen hervorgerufene Defekte im Kiefer- und Gesichtsbereich heute mit computerassistierter Chirurgie und additiven Verfahren vollständig und meist mit nur einer Operation beseitigt werden können.
CAD-Software und 3D-Druck werden dabei zu entscheidenden Hilfsmitteln für den Chirurgen. Damit könne er eine Operation punktgenau planen und die benötigten Implantate patientenspezifisch anfertigen lassen. Gegenüber konventionellen Mitteln sei das ein Quantensprung, so Rana. Drei Wünsche hat er an die Hersteller und Dienstleister im 3D-Druck für den medizinischen Bereich: Benutzerfreundlichkeit aller Produkte und Tools, eine einheitliche Sprache in Medizin und Industrie und noch mehr Schnelligkeit, um Anwendungen praktisch einzusetzen. Seit die betreffenden Verfahren von den Krankenkassen erkannt wurden, sei die Nachfrage stark gestiegen, und die Fertigungsunternehmen kämen mit der Produktion kaum nach. Grund sei zum einen, dass sie vom Boom überrascht wurden. Zum anderen schreckten auch die langwierigen und teuren Zulassungsverfahren manchen Hersteller ab.
Die Möglichkeit, mithilfe des 3D-Drucks Implantate passgenau herzustellen und schon im Vorfeld für die Operation vorzubereiten, nutzen auch andere. So nutzt etwa die Moskauer Firma Conmet eine Laserschmelzanlage Truprint 1000 von Trumpf, um Gesichts- und Kieferimplantate herzustellen (siehe Seite 34).
Zunehmend etabliert sich der 3D-Druck in der Zahnmedizin. Zahnersatz konventionell herzustellen, ist aufwendig und dauert lange. 3D-Druck ermöglicht nicht nur eine bessere Qualität, sondern spart auch Zeit und Kosten. Auch hier ist die Digitalisierung ein Schlüssel zu mehr Produktivität – aber auch leistungsfähigere Anlagentechnik, wie Trumpf sie auf der Rapidtech präsentierte. Im Mittelpunkt stand dabei wiederum der 3D-Drucker Truprint 1000 mit Multilaser-Prinzip.
Komplexe Geometrien auf engstem Raum
Gegenüber dem Fräsen oder Gießen bietet der 3D-Druck viele Vorteile. Einer der wichtigsten: Er spart Platz. So ist ein Zahn von Natur aus nicht groß. Bei der Zahnpräparation muss der Zahnarzt den Nerv des Zahnes, die sogenannte Pulpa, schützen. Dafür lässt er etwas vom Zahnbein, dem Dentin, um den Nerv herum stehen. Das sind allerdings schlechte Voraussetzungen für den Zahntechniker. Dieser benötigt einen möglichst runden „Restzahn“, um den Zahnersatz passgenau herzustellen. Eckige Konturen, wie er sie nach der Vorarbeit des Zahntechnikers oft vorfindet, kann seine Fräsmaschine nicht abbilden.
Ein 3D-Drucker kennt solche Probleme nicht. Er kann auf engstem Raum genau die Geometrie aufbauen, die der Patient benötigt. „Außerdem brechen die Werkzeuge nicht ab, wie es zum Beispiel beim Fräsen der Fall sein kann“, sagt Hindrik Dehnbostel, der Inhaber und Gründer von Cadspeed. Das Unternehmen sitzt in Nienhagen bei Hannover und beliefert Dentallabore, Zahnärzte und Kieferorthopäden mit Zahnprodukten. Mit der Digitalisierung und dem 3D-Druck gehe es schneller, ist Dehnbostel überzeugt.
Hohe Zeitersparnis und weniger Material
Außerdem verbraucht der Zahntechniker beim Fräsen oder Gießen viel Material. „Manchmal haben wir über 50 Prozent Ausschuss“, sagt Dehnbostel. Ein 3D-Drucker verwendet nur so viel Metallpulver, wie es das Bauteil erfordert. Überschüssiges Pulver kann der Zahntechniker am Ende des Druckvorgangs wiederverwenden. Das spart Geld und schont die Umwelt. Außerdem ist der 3D-Druck zeitsparender. Wohingegen ein Zahntechniker es kaum schafft, eine Zahneinheit in weniger als 30 Minuten herzustellen, schafft ein 3D-Drucker bis zu 70 Teile pro Durchlauf in zwei bis drei Stunden. Pro Zahneinheit sind das weniger als drei Minuten. „Wenn wir ausgelastet sind, ist der 3D-Druck deutlich schneller“, sagt Dehnbostel.
Nicht nur für die Fertigung bringt der 3D-Druck Vorteile, auch die Vorarbeit geht schneller. Anstelle der Gipsmodelle können Zahntechniker mit digitalen Datensätzen arbeiten. Hierfür muss der Zahnarzt das Gebiss des Patienten mit einem sogenannten Intra-Oral-Scanner erfassen. In Echtzeit generiert die Software mit den Aufnahmen ein 3D-Modell des Gebisses. Dieses kann der Zahnarzt direkt an das Zahnlabor weiterleiten. „Wir brauchen keine Silikonabdrücke und Gipsmodelle mehr. Auch der Versand fällt weg“, sagt Dehnbostel.
Bei Cadspeed steht seit November 2017 ebenso ein 3D-Drucker Truprint 1000 von Trumpf. Bei seiner Zahntechnik-Roadshow ist Dehnbostel auf die Anlage im Kleinformat aufmerksam geworden. „Nach einer dreimonatigen Testphase haben wir die Anlage gekauft. Wir produzieren damit fünf Tage die Woche im Dreischichtbetrieb“, sagt Dehnbostel.
Noch ein Stück weg von der industriellen Anwendung, doch nicht weniger inspirierend wirken die Projekte, die Forscher aus aller Welt im Rahmen der 3D-Pioneers Challenge vorstellten. Zum Gewinner in der Kateogrie Material kürte die hochrangig besetzte Jury Adam Jakus von Dimension Inx. Das Start-up ist 2017 aus dem Shah Tissue Engineering and Additive Manufacturing (TEAM) Laboratory der Northwestern University in Chicago hervorgegangen – mit der Idee, dass die größten Einschränkungen für die Anwendung des 3D-Drucks weniger in unzureichender Hardware oder Software, sondern vielmehr in der Verfügbarkeit geeigneter, funktionsfähiger, kosteneffizienter und skalierbarer Materialien lägen.
Dass es auch anders geht, stellten die US-Amerikaner mit ihrem Beitrag „3D-Painted Hyperelastic Bone“ unter Beweis. Die Jury zeigte sich begeistert von dem „genialen flexiblen Material für Knochenimplantate“. Die 3D-gedruckte Biokeramik verwandelt sich nach der Implantation in natürliche Knochen und ist hochgradig verträglich.
Organe aus dem Drucker
In der Kategorie Medtech schließlich überzeugte das israelische Team um Nadav Noor mit Dr. Assaf Shapira, Dr. Tal Dvir, Dr. Reuven Edri, Idan Gal und Lior Wertheim der Tel Aviv University mit dem Projekt „3D Printing heart“ – einem 3D-gedruckten Herzen aus patienteneigenen Stammzellen und organischem Gewebe. Der Prototyp hat in etwa die Größe einer Kirsche und ist vergleichbar mit dem Herz eines menschlichen Fötus. Das Herz besteht aus Gewebe sowie Blutgefäßen und verfügt über Kammern. Schlagen kann es allerdings noch nicht. Zwar lassen sich durch den 3D-Druck die Zellen an der richtigen Stelle positionieren, aber sie müssen auch so zusammenarbeiten, dass sie Organfunktionen übernehmen können. Bis solche Organe einmal einem Menschen eingesetzt werden können, werde es also noch einige Jahre dauern, so die Forscher.