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Überblick über die Kunststoffe für die additive Fertigung

3D-Druck mit Kunststoffen
Kunststoffe in der additiven Fertigung

Ein Großteil der 3D-gedruckten Bauteile im Prototypenbau, im Modellbau und in der industriellen Fertigung werden in der additiven Fertigung aus Kunststoffen (Polymeren) produziert. Hier finden Sie die wichtigsten Kunststoffe. Außerdem erfahren Sie, mit welchen additiven Fertigungsverfahren sie verarbeitet werden. Und wir nennen Ihnen die – unserer Meinung nach –  5 coolsten Anwendungen. 

überarbeitet und aktualisiert am 30.11.2022
– Evelin Eitelmann, Redakteurin, Konradin Industrie

Inhaltsverzeichnis
1. Welche Kunststoffe (Polymere) werden in der additiven Fertigung verwendet?
2. In welchen additiven Verfahren werden Kunststoffe eingesetzt?
3. Benötigen solche Kunststoff-Bauteile eine Nachbearbeitung?
4. Wo liegen die Herausforderungen im Kunststoff-3D-Druck?
5. Kann man mehrere Materialien kombinieren?
6. Das sind die 5 coolsten Anwendungen im Kunststoff-3D-Druck!

In der additiven Fertigung unterscheidet man die Kunststoffe zusätzlich zur Werkstoffgruppe auch nach ihrer vorliegenden Form (Filamente, Granulate, Harze und Pulver) und mit welchen Verfahren man sie verarbeiten kann. 

Welche Kunststoffe werden in der additiven Fertigung verwendet?

Viele Kunststoffe (Polymere) lassen sich heutzutage mit einem AM-Verfahren verarbeiten. Die meisten Hersteller von 3D-Druckern verkaufen auch entsprechende Materialien für ihre 3D-Drucker. Diese Materialien werden stetig verbessert, an neue Bedürfnisse und Entwicklungen angepasst. 

Die am häufigsten verwendete Werkstoffgruppe von Kunststoffen, die in der additiven Fertigung eingesetzt werden, sind Thermoplaste. Diese lassen sich in einem bestimmten Temperaturbereich verformen beziehungsweise verflüssigen. Und da dieser Prozess reversibel ist, können Sie überhaupt im 3D-Druck eingesetzt werden. Aufgrund dieser und ihrer weiteren chemischen und mechanischen Eigenschaften lässt sich die Gruppe unterscheiden in Standardkunststoffe (-thermoplaste) wie Polypropylen (PP) und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), Technische Kunststoffe, wie Polyamide (PA) und thermoplastische Elastomere (TPE) und Hochleistungskunststoffe, wie Polyetheretherketone (PEEK).

Eine Auswahl: 

  • Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS): ABS wird auch als Filament für das 3D-Druckverfahren Fused Deposition Modeling verwendet und eignet sich durch die hohe Stabilität und vielfältige Nachbearbeitungsmöglichkeiten insbesondere für die Produktion von Prototypen.
  • Polyamide (PA): PA11 sowie PA12 finden beim 3D-Druck von Bauteilen und Gehäusen Anwendung. In Pulver-Form werden sie als preiswertes Standardmaterial in SLS-3D-Druckern verwendet. In Filament-Form wird es in FDM-3D-Druckern hauptsächlich für technische Anwendungen verwendet.
  • Polyetheretherketone (PEEK): PEEK schmilzt bei einer, im Vergleich zu den meisten anderen Thermoplasten, sehr hohen Temperatur von 335 °C und kann im flüssigen Zustand per Extruder geformt werden. Granulares PEEK kann direkt mit Hilfe des SLS-Verfahrens verarbeitet werden.

Photopolymere: Ein Photopolymer ändert seine Eigenschaften, wenn es mit Licht aus dem UV-VIS-Bereich des elektromagnetischen Spektrums bestrahlt wird. 

In welchen additiven Verfahren werden Kunststoffe eingesetzt?

Kunststoffe werden in der additiven Fertigung bei folgenden Verfahren eingesetzt:

  • Pulverbettverfahren: Multi Jet Fusion und Selektives Lasersintern
    MJF: Herstellerspezifisches Polyamid (PA11/PA12), Thermoplastisches Polyurethan
    SLS: Polyamide / Sondermaterialien: ABS, PC, PEEK, PE, PP, PVC, TPE, TPU etc.
  • Extrusionsverfahren: Fused Deposition Modeling
    FDM: ASA, ABS, PLA, PETG / Sondermaterialien: Biopolymere, PC-ABS, PA, PC etc.
  • Material Jetting
    Herstellerspezifische Photopolymere
  • Photopolymerization: Stereolithograpie und Direct Light Processing
    SLA: Polymerharze, wie Acrylharz, Epoxidharz, Vinylharz
    DLP: herstellerspezifische Polymerharze, wie Acrylharz, Epoxidharz, Vinylharz

Benötigen solche Kunststoff-Bauteile eine Nachbearbeitung?

Dem Einsatz, dem Material und dem Verfahren geschuldet ist die Nachbearbeitung von Kunststoff-Werkstücken unterschiedlich und kann sich aufwändiger gestalten als der Druckvorgang selbst. Bei den meisten Kunststoff-3D-Druck-Verfahren wird das Werkstück im Anschluss mechanisch nachbearbeitet, entstützt und gereinigt. Darüber hinaus sind noch weitere Verfahren je nach Anwendung notwendig.

Das Entstützen ist ein Bauteil bezogenes Nachbearbeitungsverfahren. Manche 3D-Druck-Bauteile erhalten eine Stützstruktur zur Verzugsminderung oder um überhängende Strukturen zu erzeugen, die im Nachhinein entfernt werden müssen. 

Wo liegen die Herausforderungen im Kunststoff-3D-Druck?

Aufbaurate in der additiven Fertigung
Die additive Fertigung erlaubt eine wesentlich schnellere Produktentwicklung, indem sie die Entwicklungszeit durch das Herstellen von funktionalen Prototypen wesentlich verkürzt. Im Vergleich ist die Herstellung von Produkten mit der additiven Fertigung, gegenüber Serienfertigungstechnologien wie dem Spritzgießen noch immer sehr langsam.

Die Herstellungsgeschwindigkeit ist von der Aufbaurate des additiven Verfahrens abhängig. Die schnellsten Aufbauraten erzielen die Verfahren, welche auf Harzen und deren Aushärtung durch UV-Strahlung basieren. Sie sind bis zu 100-mal schneller als andere AM-Verfahren und können Aufbauraten von bis zu 40000 cm³/h erreichen. Laser basierte Verfahren können Aufbauraten um die 30-35 cm³/h erzielen.

Wenn die Qualität des Produkts hoch sein muss, wird die Aufbaurate gering gehalten. So wird im medizinischen Bereich mit 1-5 cm³/h gefertigt während große Teile für Flugzeuge oder Modelle mit Raten um 120 cm³/h gefertigt werden.

Mechanische Eigenschaften der Kunststoffe
Die Entwicklung der additiven Fertigung schreitet fort; weg von der alleinigen Herstellung von Prototypen und Modellen zur Serienfertigung. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Funktionalität und Qualität der Bauteile, denen die durch Trennen und Umformen hergestellt wurden, gleich oder besser ist.

Besonders hervorzuheben ist hier die Anisotropie. Sie beschreibt die Richtungsabhängigkeit werkstoffspezifischer Eigenschaften. Dies bedeutet, dass die mechanischen und technischen Eigenschaften eines Bauteils in den verschieden Belastungsrichtungen voneinander abweichen. Verbundwerkstoffe können die anisotropen Nachteile stark reduzieren und ein isotropes Bauteil erzeugen.

Auflösung in der additiven Fertigung
Die Auflösung im 3D-Druck bezieht sich auf die kleinste mögliche Verschiebung der Düse oder Druckkopfes. Die Verschiebung wird mit einem klassischen kartesischen Koordinatensystem (x,y,z-Richtung) dargestellt. Die z-Richtung beschreibt die Schichtdicke des Bauteils. Bei pulverbasierten Materialien ist die Schichtdicke abhängig vom Korndurchmesser. Mit Druckverfahren können wesentlich höhere Auflösungen erzeugt werden.

Die XY-Richtung beschreibt die Strukturgröße, also den kleinsten möglichen Punkt. Je besser die Auflösung desto höher die Druckqualität. Hier gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die wichtigsten sind jedoch das verwendete Material und das Verfahren. Kaum ein Verfahren, erzielt gute Auflösungen unterhalb von 100 µm. Hersteller geben bei der Auflösung meist nur den Wert der z-Achse an. Die Motoren in den 3D-Druckern lassen sich zum Teil bis zu 1 µm genau ansteuern, jedoch muss das Fließverhalten der Materialien berücksichtigt werden, um ein zufriedenstellendes Druckergebnis zu erzeugen.

Kann man mehrere Werkstoffe kombinieren?

Die additive Fertigung wird häufig verwendet, um Prototypen und Modelle zu erstellen. Aus Demonstrations- und Ästhetik-Gründen werden die Prototypen in verschiedenen Farben hergestellt. Das Verfahren der Wahl heißt hier: 2-Komponenten-3D-Druck. Bei Filament-Druckern ist dies keine Schwierigkeit, inzwischen gibt es Drucker, die mit mehreren Düsen ausgestattet sind. Um ein Objekt aus zwei grundlegend verschiedenen Materialien (Kunststoffe und Metalle) zu drucken, ist ein Wechsel des Bauteils zwischen verschiedenen 3D-Druckern notwendig.

Das sind die 5 coolsten Anwendungen im Kunststoff-3D-Druck!

3D-Druck kann insbesondere dazu beitragen, Fertigungsprozesse und Produktionen zu dezentralisieren, Supply-Chains resilienter zu machen, ressourcenschonend und mit weniger Energieverbrauch zu produzieren, um damit innovative neue Produkte schneller auf den Markt zu bringen. Zudem trägt die additive Fertigung dazu bei, individualisierte Produkte leichter herstellen zu können. 

Diese fünf Anwendungen finden wir spannend und erwähnenswert:

Elektrofahrzeug Uila Formnext 2022 Stratasys-Stand
Bild: Konradin Mediengruppe

Elektrofahrrad für Zwei: Auf der Formnext 2022 stellte das Berliner Unternehmen nFrontier am Stand von Stratasys Uila vor, ein Hybrid aus einem elektrischen Lastenfahrrad und einem kleinen Elektrofahrzeug, das sich beispielsweise für die letzte Meile eignet. Die großformatigen Polymer-Karosserieteile des vierrädrigen Zweisitzers wurden mit der FDM-Technologie von Stratasys gedruckt. Ebenso ist bei Uila vorgesehen, Serienteile mit Hilfe der SAF-Systeme auf Pulver-Basis oder P3-Systeme auf Photopolymer-Basis – das sind von Stratasys weiterentwickelte Kunststoff-3D-Druck-Verfahren  – zu fertigen. 2024 soll das Fahrzeug in Serie gehen. 


Designobjekte aus Meeres-Plastik: Die Umweltorganisation Parley for the Oceans hat in Zusammenarbeit mit dem Kaufhaus Selfridges in London und dem Roboterhersteller ABB im April 2022 eine Installation auf die Beine gestellt, die Verbraucher*innen für den Verbleib von Produktverpackungen sensibilisieren sollte. Der ABB-Roboter im Schaufenster des Kaufhauses hat verschiedene Design-Gegenstände aus Parley Ocean Plastic hergestellt. Unter Anwendung eines Kunststoff-Extruders von Nagami druckte der Roboter die Objekte direkt vor Ort entsprechend der Kundenbestellung, die per Bildschirmeingabe abgewickelt wurde.

ABB-Roboter glänzt mit 3D-Druck-Show im Londoner Kaufhaus Selfridges


Aerodynamische Teile für Rennwagen: Das Kraftpaket der Formel 1 McLaren Racing fertigt alle aerodynamischen Teile an seinem Standort in Woking, Großbritannien. Zum Einsatz kommen die großen Neo800-Stereolithographie-Drucker aus dem Hause Stratasys und ein auf Windkanalmodelle ausgelegter Werkstoff. Das Team druckt Teile mit dem Resin Somos PerForm Reflect. Somos ist ein Warenzeichen und eine eingetragene Marke von Covestro. Dank des Hochleistungspolymers entstehen robuste, starre Teile, deren Nachbearbeitungszeit 30% kürzer ist.

McLaren fertigt aerodynamische Teile auf Neo800-3D-Druckern von Stratasys


Individualisierte Sportwagensitze: Der Sportwagen Hersteller Porsche bietet in seinen Modellreihen 911 und 718 Schalensitze der Oechsler AG an, die in verschieden Formen und Polsterungen erhältlich sind. Bei der Konzeptstudie „3D-Druck Bodyform Vollschalensitz“ stammt die Mittelbahn des Sitzes, also Kissen- und Lehnenspiegel, zum Teil aus einem 3D-Drucker. Ein Grundträger aus expandiertem Polypropylen (EPP)  wird mit einer atmungsaktiven Komfortschicht aus einem Materialmix auf Polyurethan-Basis verklebt, die additiv gefertigt wird.

Porsche zeigt 3D-Druck-Technologie für Schalensitze


Individualisierte Fahrradhelme: Die Firma HEXR, hat eine App entwickelt mit deren Hilfe der Kopf vermessen werden kann und  anschließend ein individueller Fahrradhelm mit persönlicher Gravur gedruckt wird. Doch auch der Werkstoff ist ein Clou: Arkema, Hersteller von Polymeren aus Polyamid 11, hat ein 100% pflanzliches Polyamid entwickelt, das aus erneuerbarem Rizinusöl gewonnen wird. Das Material bietet nicht nur verbesserte Schlagfestigkeit und Leichtbaueigenschaften. Es wird zudem aus einem  nachhaltigen Rohstoff gewonnen, der nicht mit Nahrungsmitteln konkurriert und keine Abholzung verursacht. (eve)

Maßgefertigter Fahrradhelm für jeden Kopf

 

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