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Maschinelles Sehen als Schlüsseltechnologie

Automatisierte Qualitätssicherung für den 3D-Druck
Maschinelles Sehen als Schlüsseltechnologie

Maschinelles Sehen als Schlüsseltechnologie
Simina Fulga-Beising vom Fraunhofer IPA in Stuttgart forscht an der automatisierten Qualitätssicherung für den 3D-Druck. Bild: IPA
3D-gedruckte Bauteile sind die Hoffnungsträger der Industrie 4.0. Doch bei der Qualität gibt es für die additive Fertigung noch keine Normen. Eine Forscherin des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat deshalb ein System entwickelt, mit dem sich die Qualität schon während des Drucks automatisiert prüfen lässt. Partner aus der Industrie können „IQ4AP“ testen und weiterentwickeln.

Auf Simina Fulga-Beisings Schreibtisch stehen weiße Kunststoffteile, darunter ein Prothesenfuß, ein pneumatisches Auslenk-System zum Entgraten und ein Greifer für einen Roboterarm. Sie wurden alle mit 3D-Druck hergestellt, mit Lasersintern um genau zu sein. „Solche Bauteile sind die Hoffnungsträger für die Industrie 4.0, denn sie vereinen Funktionalität, Flexibilität, Komplexität und Individualität“, erklärt die Wissenschaftlerin vom Fraunhofer IPA in Stuttgart.

Additive Fertigung ist für die vierte industrielle Revolution deshalb so wichtig, weil es der einzige Produktionsprozess ist, der heute schon vollständig digital gesteuert wird. „Man gibt die Daten des CAD-Modells ein und das System produziert“, so Fulga-Beising weiter. Losgröße 1, das große Ziel von Industrie 4.0, lässt sich damit realisieren. 3D-Druck passt auch deshalb so gut zu Industrie 4.0, weil man damit individualisierte Werkstücke mit komplexen Geometrien und integrierten Funktionalitäten fertigen kann. „Man kann zum Beispiel Prothesen oder Orthesen bauen, die genau zum Körper des Trägers passen“, fügt die Forscherin hinzu.

Keine Qualitätssicherung im 3D-Druck

Bislang hat die additive Fertigung aber noch einen Haken: die Qualität. „Für die gesamte Qualitätssicherung gibt es noch keine etablierten Normen“, sagt Fulga-Beising. Qualität und Reproduzierbarkeit lassen sich deshalb nicht garantieren. Gerade bei Bauteilen für die Medizintechnik sind solche Vorgaben aber extrem wichtig.

Hinzu kommt, dass fehlende Qualitätskontrollen während des Drucks hohe Kosten verursachen. „Der Drucker arbeitet völlig autark. Im schlimmsten Fall bemerkt man den Fehler erst, wenn das Bauteil fertig ist. Da ist die Maschine aber schon stundenlang gelaufen und es wurde viel Material und Energie verschwendet“, bemängelt die Expertin. Den Vorgang von einem Techniker überwachen zu lassen, wäre angesichts der langen Maschinenlaufzeit viel zu teuer.

Automatisierte inline Qualitätssicherung

Bildverarbeitung ist heute ein gängiges Verfahren, um die Qualität von Produkten sicherzustellen. Fulga-Beising hat es an die Erfordernisse der additiven Fertigung angepasst und einen ersten Prototyp entwickelt. Automatisiert kontrolliert ihre Anwendung IQ4AP die Qualität im 3D-Druck inline, also schon während des Drucks. Die Anwendung basiert auf einer Blackbox, die eine Kamera, Beleuchtung und Belüftung enthält. Schlüsseltechnologie ist das maschinelle Sehen. Ein Kamerasystem scannt die frisch aufgetragenen Pulverschichten und die gesinterten Schichten direkt im Prozess. Anschließend werden die Bilder von mehreren Algorithmen geprüft.

„Grobe und feine Defekte erkannt IQ4AP sofort. Sogar die Merkmale der gesinterten Schicht, wie zum Beispiel Längen oder Lochdurchmesser, misst das System inline. Man erhält damit ein Bauteilqualitätsprotokoll auf Schichtebene“, erklärt die Wissenschaftlerin. Der Maschinenbetreuer wird automatisch benachrichtigt, etwa per SMS oder E-Mail, und kann entscheiden, was zu tun ist. Auch Toleranzen, etwa der maximale Abstand von Löchern, lassen sich festlegen. Der Prozess ist inzwischen validierbar. „Mit industrieller Computertomographie konnten wir die Ergebnisse des Inline-Qualitätskontrollsystems bestätigen“, freut sich Fulga-Beising.

Die Hardware des Inline-Qualitätskontrollsystems IQ4AP kostet Anwender gerade einmal 2500 Euro. Das System ist maschinenunabhängig und kann an jeden beliebigen 3D-Drucker angedockt werden. „So ist keine Kühlung notwendig, um die Hardwarekomponenten gegen die hohen Temperaturen im Drucker zu schützen. Das System hat somit ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis und ist sofort einsetzbar, ohne zeit- und kostenaufwendige Maschinenzertifizierungen“, erklärt die Forscherin.

Auf dem Weg zur
selbststeuernden Produktion

Theoretisch lässt sich das Modul auch für die Qualitätskontrolle in der Metallbranche adaptieren. Ein entsprechendes Soft- und Hardwarekonzept hat Fulga-Beising in ihrer Doktorarbeit entwickelt. Außerdem ist IQ4AP modular aufgebaut und lässt sich damit beliebig erweitern. Jetzt sucht das Fraunhofer IPA nach Partnern, die das System testen und in gemeinsamen Projekten bedarfsgerecht erweitern wollen. „Einige Anfragen liegen mir schon vor“, freut sich die Forscherin.

„Im nächsten Schritt soll das System durch maschinelles Lernen selbst beurteilen, was der Fehler für den Druckprozess bedeutet“, erklärt Fulga-Beising. Dazu gehört, nicht nur zu entscheiden, ob er gestoppt werden soll, sondern auch Rückschlüsse zu ziehen und das Verfahren zu optimieren. „Auf dem Weg zur selbststeuernden Produktion ist das ein wichtiger Schritt“, meint die Wissenschaftlerin.

Fraunhofer‐Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung IPA
www.ipa.fraunhofer.de
Formnext Halle 3.1 Stand A48



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